Momente des Menschseins
Im Meer des Unterbewusstseins
Gedanken sind in ihrer Entstehung und Entwicklung selten einem festen Datum zu zuordnen.
Sie tauchen immer wieder auf, formieren sich neu und gestalten sich um.
Sie sind wie Wale, die im Ozean des Unterbewusstseins umher schwimmen und ab und zu an die
Oberfläche müssen, um Luft zu holen.
Existentielle Fragen
Der Geist dreht sich im Kreis und findet keine Antworten. Manchmal wären klare Antworten wünschenswert, wie Anker,
an denen man sich festhalten kann. So aber wird man im Meer der Gedanken hin und her geworfen und hat oft genug das Gefühl im Wellengang
der offenen Fragen zu ertrinken. Selten genug schwimmt oder treibt man an einer Boje der Erkenntnis vorbei. Manchmal sind sie schwer zu erkennen.
Erscheinen einem oft zu banal, um sie ernst zu nehmen. Große Fragen erwarten große Antworten. Vielleicht wird deshalb vieles konstruiert,
Mythen entworfen, die der Größe der Fragen gerecht werden. Kann man mit diesen Mythen als Antworten leben, wenn man weiß,
dass sie konstruiert sind oder macht sie das Wissen darum als Antworten unbrauchbar? Wann gibt man sich mit der Antwort
auf die existentiellen Fragen zufrieden, wie umfassend müssen sie beschaffen sein, um als solche zu funktionieren und Erkenntnis
theoretisch Sinn stiftend zu sein? Inwieweit bedingen sich dabei Sinn, Logik und Empirie?
Gedanken der Nacht
Tief im Inneren des Bewusstseins befindet sich ein dunkler Abgrund, es ist die elementare Angst, die entsteht im Erkenntnismoment,
wie fragil alles Bestehende ist. Normalerweise ist diese irrsinnige Angst überlagert, weil es sich mit ihr an der Seite nicht leben lässt.
Sie ist überdeckt von Religionen, von Alltagssorgen, von Wünschen, Hoffnungen und Illusionen. Das ständige Bewusstsein
über die Fragilität macht uns zu Würmern, die erkennen, wie unbedeutend sie sind. Kriechende Würmer mit Bewusstsein,
die erkennen, dass sie trotz ihres Bewusstseins nichts ausrichten können und dem „Geschehen“ ausgeliefert sind.
Am Ende steht immer das Ende – unabänderlich. Und wenn du erfährst oder merkst, dass du senil wirst, dein Gehirn sich
langsam verabschiedet, oder du machtlos hinnehmen musst, dass ein geliebter Mensch vor der Zeit gehen muss,
zieht es einem die Füße weg. Um die Wucht dieser Erkenntnis zur erfahren, muss es nicht real eintreffen, es reicht,
sich dieses Szenario vorzustellen und die eigene Welt gerät aus den Fugen…und so grausam dieses Gefühl ist, ist es ein
intensiver Lebensmoment: Kaum auszuhalten, ein Fall ins Bodenlose, um sich blickend und nur Schwärze sehend.
Wie kann man einen solchen Moment extrahieren und ihm einen positiven Gehalt zuschreiben?
Klappt das Leben im Alltag mit diesen Emotionen nur in Verdrängung?
Der Puls des Regens
Die Monotonie des Regens lullt einen ein in eine gläserne Hülle, an der das Wasser hinab rinnt.
Das Auf und Ab des Straßenrauschens ergibt einen Rhythmus, der an das Rauschen des Blutes im Körper erinnert.
Geist und Körper
Der Körper als Hülle für den Geist, als Mittel zum Zweck, um sich geistig zu materialisieren.
Der Geist verändert den Körper – das Gehirn, formt sich nach dem, was wir denken und tun. Also ist es doch ein Wechselspiel.
Und oft ist der Körper der Spielverderber. Körper ohne Geist geht, aber niemals Geist ohne Körper.
Das merkt man, wenn der Körper nicht mehr funktioniert, wie er soll.
Glück als Lebenshaltung
Gibt es das? Anhaltendes Glücksempfinden als Einstellung, die nicht ständig relativiert wird oder sich von etwas herleitet…
oder gibt es das nur als nachträgliche Einschätzung? „Damals waren wir glücklich.“ „Das war meine schönste Zeit.“
Braucht es den Vergleich, um etwas als Glück anzunehmen, erkennen zu können. Wenn ich niemals hungern musste,
weiß ich dann, wie glücklich ich sein muss, immer satt werden zu können? Wenn ich niemals eingesperrt war
und in einem freien System aufgewachsen bin, kann ich dann tatsächlich Glück empfinden über meine Freiheit?
Wenn ich Schmerzen habe, ist das anschließende Abschwellen der Schmerzen schon ein kleines Glücksgefühl.
Wie leicht verblasst es, wenn es in zeitliche Ferne rückt. Kann allein die Vorstellungskraft uns immer wieder an diesen
defizitären Punkt zurückführen? Das Fehlen von Gesundheit, das Fehlen von Freiheit, das Fehlen von Liebe…
reicht die Imagination aus, um die Erfahrung auch bei Nicht-selbst-Erlebtem als abrufbare Schlüsselbilder zu speichern,
die uns als Negativbilder positive Lebenssituationen herleiten lassen?
Bewusstes Erleben aller Momente scheint einen Weg zu zeigen weg von der Definition
„Glück ist die Abwesenheit von Schmerz, Unfreiheit, Einsamkeit…“ Im bewussten Erleben negativer wie positiver Zustände
lässt sich eine gewisse Sinnhaftigkeit verankern. Die Fähigkeit des Daseins, aus sich selbst Bestehens. Wer die Bedeutung
für sich selbst nicht von woanders herleiten kann, muss sie in sich und seiner Existenz als Selbstzweck finden, natürlich
verstanden als Wesen, das sowohl frei-selbstständig als auch sozial-abhängig ist. Beide Positionen – sich als wichtigen Teil
einer Gemeinschaft zu fühlen, der gebraucht und geliebt wird – und auf der anderen Seite die Erfahrung, den eigenen Erfolg
auszukosten, stehen für Glücksgefühle. Stumpfen diese Erlebnisse ab? Werden die Glückserfahrungen schwächer, je öfter man
diese Situationen durchlebt? Gehört auch der Faktor des Neuen, bisher in dieser Intensität noch nicht Erlebten als Kriterium zur Glücksskala?
Wer erstellt diese Skala? Wir selbst oder andere? Oder gibt es für den einen das Eigene (Freiheit und Selbstverwirklichung)
und für den anderen die Fremdbestimmung (integriertes Glied einer Gemeinschaft)?
Hat das etwas mit der geistigen und emotionalen Entwicklung eines Menschen zu tun? Wie fortgeschritten - zivilisierte Individuen – sind wir?
Wo verorten wir uns auf dieser Strecke zwischen Freiheit und Eingebunden-Sein? Sind wir am glücklichsten, wenn diese
Verortung an der für uns individuell am besten angepassten Stelle passiert? Geht beides gleichzeitig? Was ist mit besonders
freiheitsliebenden Menschen? Auch ihr Leben funktioniert nicht ohne die Rückkopplung durch andere Menschen. Was ist mit
menschlichen Herdentieren, Jasagern, Mitläufern, Anhängern? Was passiert mit ihnen, wenn man sie auf sich selbst zurück
wirft und zu einem freieren Leben zwingt? Scheitern diese Menschen? Sind sie unglücklich oder entwickeln sie sich weiter? Kann
man das überhaupt wertend als Weiter-Entwicklung sehen oder ist das nur eine Bewegung in eine Richtung. Ist das eine besser als
das andere? Ist das allgemeingültig oder nur individuell absolut? Gibt es die perfekte Freiheit in der Gemeinschaft? Existiert Freiheit
auch wieder nur als Ableitung von etwas – definiert durch die Abwesenheit? Erkennt man Freiheit auch ursprünglich als positive
Erfahrung oder erfasst man die volle Bedeutung des Begriffs erst mit der ersten Negativerfahrung, wenn man die ersten Erfahrungen
mit Eingrenzung z.B. in der Erziehung macht? Kann die Einschränkung von Freiheit nicht auch positive Gefühle hervorrufen?
Können Einschränkungen auch als schützende Mauern empfunden werden? Wenn man bei jedem Menschen, die individuell nötige
Zufuhr von Freiheit als auch die von Vergemeinschaftung einstellen könnte, wäre dann jeder Mensch in der Lage, glücklich zu sein?
Natürlich vorausgesetzt, die existentiellen Grundlagen sind vorbildlich (körperlich guter Allgemeinzustand!)
Würde der Mensch sich von einem einmal erreichten „wohligen“ Zustand wieder weg entwickeln? Ist das (wieder vorausgesetzt,
alle existentiellen Parameter sind positiv) immer eine ansteigende Entwicklung? Würde aus besten Voraussetzungen auch eine negative
Entwicklung möglich sein? Der Lauf der Geschichte scheint zu zeigen, dass die Evolution im zivilisierten Bereich zu immer mehr Freiheit
in geordneter Gemeinschaft fort schreitet. Sind Individuen in solchen Gemeinschaften glücklicher als solche in unfreien? Oder
funktioniert auch das nur dann, wenn sie mit ihrer persönlichen Entwicklung – ihrer Verortung auf der Skala von Freiheit und
Vergemeinschaftung in diese Gesellschaft passen? Funktionieren deshalb Revolutionen nicht auf Anhieb? Sind da einige Einzelne oder
einzelne Strömungen der Gesellschaft voraus? Muss die Mehrheit der Gesellschaft dieses Entwicklungsstadium erst aufholen, geistig
und emotional, damit ein wirklicher Umbruch geschehen kann? Ist das etwas, das nicht rein intellektuell nachvollzogen werden kann?
Muss das entsprechende Kräfteverhältnis von Freiheit und Gemeinschaft erst die Gehirnwindungen der Menschen tatsächlich verändern,
damit so etwas glücken kann? Arabischer Frühling!
Wie oft müssen Gedanken von Menschen gedacht werden und von wie vielen, bis wirklich Veränderungen auch real funktionieren?
Der Mensch erwartet schnelles Glück von Umbrüchen, versteht aber nicht, dass diese aus eigener Kraft geschehen müssen. Als Einzelner
wie als Gemeinschaft – dauerhaftes Glück empfindet man nur dann, wenn man selbst aktiv den neuen Zustand mitgestaltet hat und
ihn auch reflektiert hat. Ansonsten wird es nicht funktionieren und die Menschen wünschen sich schnell den alten, bereits erprobten
Zustand zurück, in dem sie wenigstens ihre kleinen Nischen des Glücks sicher hatten. Veränderung und Entwicklung bedeutet Anstrengung,
vor allem geistige. Glücklich, wer es schafft, auch das als Geschenk zu sehen. Wir sind fähig, ständig an unseren Vorstellungen, Einsichten,
moralischen Modellen zu arbeiten. Wir müssen ein einmal gebautes Haus nicht in dieser Weise belassen, sondern können es mit neuen
Einsichten umbauen, anbauen und wenn nötig, auch mal einreißen und neu aufbauen. Arm sind die Menschen, die am einmal Erbauten
verzweifelt festhalten. Natürlich sollte nicht unreflektiert „abgerissen“ werden, aber manchmal ist es nötig, wenn neue Erkenntnisse das alte
und seine Berechtigung in Frage stellen. Aber: diese Erkenntnisse müssen selbst gewonnen werden und können nicht einfach von
anderen übernommen werden.
Blick in die Sonne
Die Amöben unter meinem Augenlid schwimmen sobald die Sonne darauf scheint. Wenn ich die Augen drehe,
bewegen sie sich Zeit verzögert. Es ist wie ein Blick auf eine Petrischale – ein Ausschnitt der Miniwesen im Wasser.
Aber die Logik sagt mir, es sind nur profane Fussel!
Was bleibt?
Die gleiche Frage, immer und immer wieder. Erinnerungen, Schnipsel eines Lebens, Ausschnitte.
Was bleibt, wenn einer geht. Es bleibt die Lücke und der Schmerz. Einer geht und das Leben der Anderen geht weiter.
Nach der Trauerzeit kehrt bei vielen wieder der Alltag ein, fast als wäre nichts gewesen. Fast. Es ist danach nicht mehr dasselbe,
auch wenn es von außen so aussieht. Wenn ein geliebter Mensch geht, hinterlässt er bei denen, die ihn lieben, eine Lücke. Und die Zeit danach
ist niemals mehr die gleiche, wie die davor, weil der Verlust die Menschen verändert. Dauerhaft. Auch die Erfahrungen der Trauer
machen uns essentiell zu dem, was wir sind. Der Verlust für uns wichtiger Menschen prägt die Persönlichkeit entscheidend.
Zum einen der Schmerz, zum anderen die Erinnerung, die zum Standbild wird, in dem Moment eingefroren. Die Wahrnehmung dieses
verabschiedeten Menschen wird nicht weiter aktualisiert und die Daten über ihn nicht mehr erweitert. Auf einmal ist die Geschichte
zu diesem Menschen abgeschlossen und das Gesamtbild des Menschen verfestigt sich als geschlossene Akte. Die Zurückgebliebenen
tragen sie mit sich herum. Das ist es, was bleibt. Das hinterlassen wir an Menschen, bei denen wir einen Eindruck hinterlassen. Geliebt
oder gehasst, aber eine Bedeutung musste man für die anderen haben. Real, emotional oder rational. Worin liegt die Bedeutung eines
Menschen, auch wenn er nicht wie Hitler oder Napoleon die Weltgeschichte beeinflusst hat?
Wir wirken auf die Menschen ein, in deren Leben wir eine Rolle spielen. Wir verändern andere als Vorbild, durch Manipulation, durch
reale oder mentale Unterstützung, oder wir schaden ihnen gezielt, direkt….Wenn wir in das Leben anderer Menschen treten, hinterlassen
wir dort eine Spur von uns, einen Fußabdruck, manchmal stark ausgeprägt, manchmal nur sehr unscheinbar. Ganz deutlich in der Erziehung,
wen wir als Vater oder Mutter hatten, ist nie belanglos. Auch Lehrer hinter lassen Spuren.
Das ist unsere Hinterlassenschaft, wenn wir gehen müssen. Unser Einfluss begleitet andere durch ihr Leben und macht sie in der Gesamtheit
aller Einflüsse und ihres eigenen Ichs zu dem, was sie sind und wie sie handeln.
Das Leben als Zugfahrt
Ständig steigen Mitfahrer ein und andere verlassen den Zug. Manchmal steigen sie später wieder zu unter veränderten Umständen,
weil der Zug weiter gefahren ist, vieles drinnen passiert ist, und die Umgebung ständig wechselt.
Aber ich sitze nicht im Zug – ich bin der Zug! Mit dem Wechsel der Fahrgäste, verändert sich mein Inneres und es nimmt auch Einfluss
darauf, in welcher Richtung die Reise weiter geht, wie die Weichen gestellt werden. Die Menschen im Zuginneren bzw. meine Wahrnehmung von ihnen,
das, wie ich sie sehe und was ich von ihnen in meinem Inneren aufnehme, verändert mich, mein Innenleben, meine Reisegeschwindigkeit, meine Ziele,
meine Hoffnungen, meine Entscheidungen - meinen Charakter, die Ausrichtung meiner Fahrt.
Was bleibt, wenn einer aussteigt, ist klar. Ein Defizit, eine Lücke, ein leerer Platz. Die Konstellationen im Inneren verändern sich, auch wenn
der Platz desjenigen in seiner Funktion irgendwann nachbesetzt wird. Aber nie ist derjenige gleichwertig ersetzbar. Es wird immer anders werden,
weil der Zug als Synonym für die Zeit sich kontinuierlich fort bewegt. So ist die große Katze nicht identisch mit der kleinen Katze, obwohl sie
natürlich immer noch dieselbe ist. Das Konglomerat alles Erlebten, Beziehungen, Konstellationen, Emotionen…initiiert eine ständige Vorwärtsbewegung,
bei der es kein Zurück gibt. Selbst, wenn man Entwicklungsphasen durchmacht und am Ende zur früheren Einstellungen zurückkehrt, bleibt doch das danach
Erlebte ein Bestandteil dessen und zieht einen Unterschied zur früheren Version.
Es ist wie der Gedanke einer Zeitreise. Man kann sich zwar vorstellen, in eine vergangene Zeit zu reisen, aber man geht dann immer davon aus, dass man
mit dem Jetzt-Bewusstsein dort ankommt. Sonst würde das Gedankenspiel auch keinen Sinn machen, weil es dann nur eine Wiederholung des ewig Gleichen wäre.
Ob man in der Rückschau Entscheidungen nur nicht bereut oder ob man sie tatsächlich mit dem, was man im Lauf der Zeit gelernt hat,
nicht anders machen würde, ist zweierlei. Was bleibt von unseren Haustieren? Was bleibt vom Hund? Auch er mit seinem individuellen
Wesen prägt uns und hat Einfluss auf das, was wir sind. Ob der Einfluss bewusst oder unbewusst ist, spielt keine Rolle.
Was bleibt, ist also unser Stellenwert in Konstellationen, unsere Bedeutung, Auswirkung auf Andere, mit denen wir in Beziehung stehen. Wir sind
Ursache für Veränderung in drei Stadien: wenn wir in das Leben eines anderen treten, die Zeit, die wir mit demjenigen gemeinsam verbringen und
der Moment, in dem wir aus dessen Leben wieder verschwinden (oder umgekehrt, derjenige verschwindet aus unserem). Was bleibt ist das
Zwischenmenschliche (bzw. bei Haustieren die entstandene emotionale Verbindung): eine Formenbildung des Geistigen, die genauso real ist, wie
all das Materielle, das wir empirisch belegen können. In dem ich meine Gedanken in Schriftform oder auch in Gesprochenes (Hörbares!) verwandeln
kann oder aber auch in einem Kunstwerk realisieren kann und auf andere treffe, die daraufhin für mich wiederum logisch nachvollziehbare Reaktionen
zeigen, erkenne ich diese geistige Welt als reale Daseinsform, was für mich das größte Wunder alles Seienden darstellt. Es ist die Erkenntnis darüber,
dass das Emotionale sowie das Mentale eine reale Existenzform ist, die in der Endkonsequenz auch über denjenigen, der die Ursache des
Immateriellen ist, hinausgehen kann.
Die Rechtfertigung des Künstlers
Gibt es nicht schon genug Kunst in der Welt? Gibt es irgendeine innere Notwendigkeit, aus der sich immer wieder Kunst produziert?
Ist nicht alles schon auf irgendeine Art und Weise gesagt oder gemacht worden?
Wie viel Kunst gibt es heute noch, die auch eine notwendige, zumindest nicht nur soziale Funktion erfüllt? Ist die meiste Kunst nicht
eine Reproduktion des ewig Gleichen? Wie kann der einzelne Künstler sich und sein künstlerisches Schaffen als sinnhaft rechtfertigen?
Macht es einen Unterschied, ob das Werk eines bestimmten Künstlers existiert oder nicht? Reicht die Sinnhaftigkeit für das eigene Leben
des Künstlers schon aus? Kann/darf der Künstler sich und seiner Kunst selbst genug sein? Oder muss der Künstler mit seinem Werk auf etwas
abzielen, muss er versuchen, irgendeine Funktion zu erfüllen? Kunst um der Kunst Willen oder besser Kunst um des Künstlers Willen, der Kunst
schafft, weil er einfach nicht anders kann und das Künstlertum das ist, was ihn innerlich erfüllt. Ist es Legitimation genug, etwas zu machen, das
einem die Möglichkeit gibt, sich und seine inneren Bedürfnisse auszuleben und zu verwirklichen? Oder muss man einen irgendwie gearteten Beitrag
zur Gesellschaft leisten? Woher kann die Rechtfertigung kommen, wenn dieser Beitrag zur Gesellschaft erst Jahre oder Jahrhunderte im Nachhinein
erkennbar ist? Handelte van Gogh für die Gesellschaft oder war er nicht eher ein komplett egoistisches, egozentrisches Wesen, das sich auf das
konzentriert hat, was ihm in seiner selbst gewählten Beschäftigung immer wieder besondere Seinsmomente erleben ließ? Nimmt ein Künstler dafür
oft eine soziale sowie wirtschaftliche Schieflage in Kauf, weil im Moment des Erschaffens eines Kunstwerks ein elementares, menschliches Bedürfnis
auf sehr hohem Niveau befriedigt wird? Bedeutet dieser „Schöpfungsakt“ nicht eine der transzendentalsten Erfahrungen, die ein Mensch machen kann?
Der Künstler setzt etwas in die Welt, das eine Art Eigenleben bekommt, vielleicht beim Rezipienten etwas auslöst. Ein geistig-emotionales Gut bekommt
eine feste Form, erschöpft sich aber nicht in einer reinen Funktionalität. Neben möglichen klaren Funktionsfeldern, denen man ein Kunstwerk
zuschreiben kann, spricht es immer auch eine Bewusstseinsebene an, die darüber hinausgeht. Kirchen dienen nicht nur als Versammlungsort,
sondern durch die künstlerische Ausgestaltung immer auch als Raum besonderer Erfahrungen, transzendentalen Erlebens. Ergriffenheits- oder
Erhabenheitsgefühle. Kunstwerke können einen Erkenntnisprozess auslösen oder emotionale Reaktionen hervorrufen. Ein
künstlerisches Medium kann alle möglichen Facetten menschlicher Geistigkeit, Emotionalität, Spiritualität transportieren und ansprechen.
Es kann Fröhlichkeit hervorrufen, verstören, beruhigen, nachdenklich stimmen… Was bedeutet das für den Künstler?
Muss er zwangsweise beim Erschaffen des Werks diese Konnotationen bereits bewusst angelegt haben? Wenn nicht, können sie dann
trotzdem vorhanden sein? Wenn ja, haben sie dann die gleiche Bedeutung, wie solche, die bewusst angelegt wurden? Was ist, wenn der Künstler
sie angelegt hat, sie aber nicht funktionieren beim Rezipienten? Schießt der Künstler dann an seinem Ziel vorbei oder ist die Gesellschaft
einfach gerade nicht bereit für seine Kunst?
Postulat an die eigene Kunst
Ich gehöre nicht zu denen, die glauben, nur Gegenständliches sei wahre Kunst. Aber ich für mich als Künstler postuliere,
dass ich zu Gegenständlichem fähig bin und wenn ich dann abstrakt male, dann deshalb, weil ich mich bewusst dafür entscheide und nicht,
weil ich nicht anders kann. Meine Philosophie ist es, dass ich handwerklich so viele Techniken beherrsche, das ich (fast) jede Idee zu einem
Kunstwerk, in der für das Kunstwerk stimmigsten Form umsetzen kann, um den maximalen Ausdruck zu erreichen: das impliziert natürlich,
dass meine Werke auch einen Inhalt haben im Sinne von Bedeutung, auch wenn das vielleicht nicht bei jedem Rezipienten ankommt.
Damit ist keine klar verständliche, nacherzählbare Botschaft gemeint, das kann auch Emotion, Stimmung oder sonstiges sein, aber ich möchte
keine belanglose Kunst schaffen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob man das von „Innen“ also von der Innensicht aus endgültig
beurteilen kann, denn für Bedeutung braucht es immer ein Gegenüber, auf das es gerichtet ist.